Kriegsjahre

Den Kriegs­be­ginn habe ich noch in mei­ner Fami­lie erlebt. Da war es noch nicht so doll. Gut, die SS lief schon rum, und ich habe gelernt zu schwei­gen, wo es bes­ser war. Mein Vater war rus­si­scher Abstam­mung, Weiß­rus­se. Auch wenn die gan­ze Fami­lie mitt­ler­wei­le die deut­sche Staatsbürgerschaft hat­te, so blie­ben wir doch Aus­län­der.

„Günther, mach’ dei­ne Klap­pe nicht auf, der Feind hört mit; sag’ nur, was du weißt! Sei höf­lich, dann kann nichts pas­sie­ren!“ Das hat mir mein Vater ein­ge­trich­tert; er wuss­te um die Gefahr, in der die Fami­lie stand.

An den „Voll­alarm“ kann ich mich noch gut erin­nern. Wir waren gera­de aus dem Bun­ker raus, da ging es wie­der los. Die Tief­flie­ger kamen. Irgend­wie ist man damit auf­ge­wach­sen. Ich war gera­de auf dem Fried­hof und warf mich ins Gestrüpp, als sie kamen. Einen Schul­ka­me­ra­den hat es erwischt, 13 Jah­re war er alt. Sie haben auf alles geschos­sen, was sich bewegt hat. Manch­mal hat man sie gar nicht kom­men hören.

Im St. Johan­nes-Stift waren wir etwas geschützter; auf den Dächern war ein gro­ßes rotes Kreuz. Trotz­dem muss­ten wir bei jedem Alarm ver­schwin­den, in die Kel­ler­ge­wöl­be. Am liebs­ten habe ich mich auf die Hei­zungs­roh­re gelegt. In den gan­zen Jah­ren kann ich mich nicht erin­nern, dass inner­halb unse­res Gelän­des geschos­sen wur­de.

Aber außer­halb war es gefähr­lich. Die Amis kamen von Bre­delar nach Ober­mars­berg und schos­sen ins Tal run­ter. Die ver­letz­ten deut­schen Sol­da­ten kamen in unse­re Kli­nik und wur­den hier ärzt­lich ver­sorgt. Man­che sind anschlie­ßend hier geblie­ben, haben zum Bei­spiel Pfor­ten­dienst gemacht. Erin­nern kann ich mich an Herrn Fuchs, mit dem ich gemein­sam Pfor­ten­dienst gemacht und mit dem ich mir die Post­we­ge geteilt habe. Das habe ich ger­ne gemacht! So man­ches Gespräch hat­ten wir und so man­chen Gefal­len hat er mir getan.

Wir Jun­gen muss­ten Platz machen für die ver­letz­ten Sol­da­ten und wur­den in der Turn­hal­le unter­ge­bracht. 80 Mann, schla­fen, essen, alles in der Turn­hal­le. Von der Bühne spran­gen wir direkt ins Bett; nicht jedes Bett hat das aus­ge­hal­ten. Die Wache schlief in einem klei­nen Zim­mer hin­ter der Bühne und krieg­te längst nicht alles mit. Die Wachen wur­den von den Pfle­gern übernommen; die Non­nen mach­ten Abtei­lungs­dienst und Schu­le.

Es gab auch die „brau­nen Non­nen“ hier, aber dar­an habe ich kei­ne Erin­ne­run­gen. Sie waren nur tagsüber da und wur­den abends wie­der abge­holt.