Die Nonnen
Sie sind ein ganzes Kapitel wert, die Scheinheiligen, die Garstigen, die Falschen, aber auch die Netten und Aufrichtigen.
Mit der Schwester an der Pforte kam ich nicht hin. Sie war immer am Knattern und am Meckern, machte selbst alles richtig und die anderen immer alles falsch.
Nach meiner Arbeit mit den Tieren – die hab’ ich gerne gemacht – begann das Elend an der Pforte. Zu meinen Aufgaben zählten auch die Botengänge zur Post. Mit einem Bollerwagen bin ich los, die Pakete und Briefe abzuholen, oft zweimal hintereinander. Alles wurde dann an der Pforte abgeliefert. „Hier kommst du mit dem Wagen nicht rein“, meckerte die Pforten-Nonne. Aber ich musste ja die Pakete abladen, denn jedes Paket wurde eingetragen. Also stiefelte ich mit dem Wagen, unter dem lauten Protest der Nonne, in die Pforte und kippte die Pakete aus. Ich weiß nicht, wer mehr gelitten hat, ich unter der Nonne, oder die Nonne unter mir. Sie beschwerte sich oft bei Schwester Kilianis, aber die stärkte mir den Rücken. „Lass‘ den Günther in Ruhe. Wer ihn anständig anspricht, bekommt auch eine anständige Antwort.“ Und so war es auch. Aber ich konnte eben auch ein Aas sein.
Auch bei den Schulnonnen waren ein paar „Drachen“ dazwischen. Leider waren nicht alle wie Kilianis. 80 Kinder hatte sie in ihren Räumen, dazwischen die Webstühle, den Affen und die Vögel. Und noch „Fuhrmann und Topf“, der uns die Tafeln und Rechenmaschinen brachte. Und Kilianis schaffte alles. Sie hatte es nicht nötig, jemanden zu schlagen. „Heute gehen wir mal wieder in den Wald“, so brachte sie die Kinder mit Geduld und Belohnung zu Freude am Lernen.
Sie hatte ein unglaubliches Geschick mit Kindern, überhaupt mit Menschen umzugehen.
Diese Geduld hatten nicht alle. Wie oft musste ich erleben, dass der Stock sprach. Und das bei den Kleinen. „Lass‘ das Kloppen sein“, wie oft habe ich das gesagt. Auch meine Hände haben so ab und zu den Stock gespürt.
Bis ich sie einmal ausgetrickst habe. Ich hatte meine Hände mit Zwiebel eingerieben, und einige Minuten nach dem Stockschlag schwoll meine Hand ums Doppelte an. Da war die Nonne geschockt; sie muss sich von dieser Klasse weggemeldet haben, jedenfalls habe ich sie nicht mehr gesehen.
Aber auch wir konnten uns „rächen“. Mit meinem Freund Rudi Mittler spazierten wir durch den Schnee. Oben am offenen Fenster stand eine Nonne. Sie schien von der Pfortenschwester aufgestichelt worden zu sein. „Die Pakete werden nicht mit dem Wagen reingefahren“, rief sie (obwohl sie nichts damit zu tun hatte). Da flog auch schon der Schneeball. Treffsicher landete er im Fenster. Leider nicht genau an ihrem Kopf. Wir hätten zu gerne gesehen, was unter der Haube war. Aber sie konnte rechtzeitig ihren Kopf retten und so ging nur das Fenster kaputt.
Ich glaube, alle Kinder, mit denen die anderen nicht fertig wurden, kamen zu Kilianis. Und hier ging es ihnen gut. Mir auch.